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Der Garten ist seit Alters das Symbol der Sehnsucht. Die Gärten der Semiramis, die Nilgärten, der christliche Mythos vom Paradies, das Perystil der alten Römer, der mittelalterliche Kreuz- und Klostergarten, die Rosen-, Paradies- und Liebesgärtlein des Barock, die fürstlichen Repräsentationsgärten und die sich überlagernden italienischen, französischen und englischen Stile des 18. und 19. Jh., die Volksparks schließlich, die Tivolis, die Idee der Gartenstadt, der moderne Freizeitpark und die Erlebnis- und Ferienparadiese unserer Tage und der City-Point - sie alle haben, trotz wechselnder Gestalten, eines gemeinsam: Sie sind Sehnsuchtsinseln gegen ihre Zeit - und sie sind es doch im Stil ihrer jeweiligen Zeit. Sie formen eine ideale Welt, in der sich Schönheit und Nützlichkeit, Kunst und Natur, Menschenbauwerk und Landschaft, Natur und Kunst ineinander verkehren und so eine geheime Metaphysik mit einem praktischen Anspruch verbinden. Hier, bei ParkTV im City-Point ist es nicht anders. Wer einen Garten liebt, hat eine Religion, heißt es. Die Religion unserer Zeit - also die Verbindung von Arbeit und Konsum als Lebensstil - wird weitgehend an Orten wie dem City-Point besonders gefeiert. Und daher denke ich ist es nicht übertrieben, zu sagen, wir beschäftigen uns gewissermaßen mit der Religion unserer Zeit, hinter der – Heidegger hat es gesagt, die Technik als Metaphysik unserer Zeit steht. Sie verbindet sich in Arealen wie diesem mit den Urbildern der menschlichen Sehnsucht, und während etwa die buddhistischen Zen-Priester schon immer Gartenarbeit als Ersatz für Meditation ansahen, gibt es auch für den gebildeten Europäer des 19. und 20 Jh. eine Tätigkeit, die sich vor allem mit dem Garten, bzw. dem Park verbindet. Ich meine: Das Spazieren gehen. Vielleicht denken Sie, dass die heute in der Zeit der technikgestützten Erlebnisfreizeit und der Mountainbikes und einrollbaren Kunstrasens das Spazieren gehen ein wenig aus der Mode gekommen ist. Aber ich sage Ihnen, es wird sehr viel mehr spazieren gegangen, als wir glauben. Wir tun es nur anders, etwa mit dem Scheckbuch in der Brusttasche. Das hat allerlei Vorteile, etwa wird die Arbeit nicht weniger. Sollten Sie übrigens der Meinung sein, gelegentlich ohne zu konsumieren einfach so auf einer Wiese spazieren zu gehen, so kann ich Ihnen verraten, daß all dies auch auf der Wiese der Fall ist, dort heißt es dann eben Auto, Leichtlaufwanderschuhe, Anorak aus »ultra-light-fleece«, Parkplatz und Restaurationsindustrie. Es ist also wesentlich umweltschädlicher und kostspieliger, »einfach so« spazieren zu gehen und abgesehen von einigen fränkischen Ausnahmen, die ich Ihnen gern zugebe, ist auch der Genuss normaler gewachsener Bäume kostspieliger als das Aufstellen von Plastikbäumen. Und diejenigen, die den Genuss echter Bäume, echten Rasens, echter Quellen oder gar eines echten Quarzsandstrandes auf den Seychellen lieben, die lieben in Wirklichkeit nicht die Natur, sondern nur ein viel aufwendigeres und unbescheideneres Produkt der Natur und Tourismusindustrie. Also - halten Sie sich nicht für naturnah und bescheiden nur weil Sie sich den Luxus erlauben, ein Stück ehemals technikgestützt und sentimental zu konsumieren. Die wahren Bescheidenen und daher auch moralisch Überlegenen unserer Tage sind diejenigen, die sich mit dem zufrieden geben mit dem, was für alle da ist, und für alle sind die Dinge da, die man leicht herstellen kann und bei deren Genuss es keinen übermäßigen Dreck gibt, wie eben Plastikbäume, Kunstrasen oder eben die Anlagen des City-Point. Und was das auf sich hat, erkläre ich Ihnen jetzt. Bitte folgen Sie mir:
Der Brunnen Hinter dem Brunnen steht das idyllische Sehnsuchtsbild eines Gottes, der für uns wirkt, der uns eine angenehme Umgebung und trinkbares Wasser, Fruchtbarkeit also schafft, die Berühmte Erinnerung an die »Orge« - jene Kraft der Natur, die alles zum Sprießen bringt. Nach mittelalterlicher Anschauung ist das Wasser, je näher man dem Paradies kommt desto mehr mit dem Wasser des ewigen Lebens gespeist sei, so dass wer einmal davon getrunken hat, nicht mehr dürstet, und wer einmal darin gebadet nicht mehr alt und nicht mehr hässlich wird. Der Jungbrunnen also. (–) Kaufen Sie sich also einen Brunnen, am besten mit elektrischem Antrieb für die Fensterbank und denken Sie an den Mythos des Paradieses.
Die Liegewiese Promenade heißt übrigens auch nicht einfach »spazieren gehen«, sondern zunächst einmal das Hervortreten des Hofes. Sie müssen sich das so vorstellen, dass im künstlich angelegten »Parcus« der französische Hof des jeweiligen Schlossherrn vor den Gästen oder auch der einfachen Bevölkerung, hervortrat. Mit König und Königin, mit Damen und Hofstaat. Die Herren hatten ein Seidenkissen mit sich zu tragen, falls sich eine der Damen zu setzen wünschte, ansonsten verlustierte man sich – der gesamte Hof also, für ein, zwei Stündchen, verirrte sich ein wenig im Labyrinth, besah sich die Gartendenkmäler, meist Steinfiguren die an den antiken Mythos erinnerten und uns heutigen Ungebildeten nur wie Schrullitäten vorkommen. Anschließend traf man sich etwa im Gartensaal oder zog sich wieder zurück. Der Garten war also Promenadebühne und Ausgehfläche der höchsten Kreise. (–) Mit der Zeit wanderte er in die Stadtgärten der besseren Bürgerhäuser, meistens taten sich zehn oder elf Bürger eines Squares zusammen und ließen in der Mitte des Platzes von einem Gärtner eine Anlage pflegen, die abends verschlossen wurde und im Volkspark wurde der Park als Spazierfläche sozusagen demokratisiert. Wir hier befinden uns in einem Garten des 21. Jahrhunderts, in »ParkTV«. Das eine modernen Einkaufsmalls der geeignete Ort für einen Garten ist, glauben Sie vielleicht nicht gleich, aber man kann es nachweisen - denken Sie nur an die Gartenmöbel, Palmen in Kübeln, an die Dekoration des einen oder anderen Kaffees, an künstliche Wasserfälle Kioske und – in Erinnerung an den alten Barockpark - an die unendlichen Labyrinthe der Waren, also Wege, Rolltreppen, Gänge. Sogar Sonnenschirme sind aufgestellt, wie Sie wissen - aber die halten natürlich keine Sonne ab, sie erinnern nur wie von fern an den Strand von Bahaia... - Es gibt Areale in modernen Malls, da braucht man keinen einzigen Gegenstand wirklich und dennoch kommen die Menschen um das kleine Erlebnis der Öffnung im Alltag zu haben, um also die Liegewiese zu besuchen oder das, was sie symbolisiert, die paradiesische Ruhe, um schnell einen Kaffee zu trinken, den Wasserfall rauschen zu hören. Die Fransen der Sonnenschirme flappen im Wind der Ventilatoren, die Rolltreppen stöhnen und dann kaufen sie auch etwas, ein Plakat etwa, einen Aschenbecher mit der Aufschrift "New York" oder eine Zeitung. Wir wissen, wir sind in einer Mall, sozusagen dem Wiesenflanierstück des Paradieses, wo wir Ruhe vor des Alltags Last empfinden. Und dass ich das hier nicht einfach ironischerweise erfinde, beweise ich Ihnen auch: - Als Lady Montague, die Schwester der englischen Königin auf ihrer Reise in die Türkei für ihre Freundin Mrs. Skerrit im Jahr 1716 Brüssler Spitzen einkaufen soll, geht sie, wie sie schreibt, auf die »Maille der Vornehmen«, also auf der »Mall« spazieren. Sie schreibt: »Hier sind verschiedene herrlich gebaute, viereckige offene Plätze, und, was mir eine besondere Schönheit erscheint, alle mit hohen und dichtbelaubten Bäumen besetzt. Voorhout ist zugleich der Hydepark und die Maille der Vornehmen, sie gehen und fahren da spazieren. Hier gibt es Buden mit Waffeln, Eisgetränke...« usw.
Die Atmosphäre Der Mönch Beda soll aus dem Paradies zurückkehrend,
in das er beim Segeln nach Westen zufällig verschlagen wurde,
nach diesem Paradies gerochen haben. Der Duft des Paradieses soll ihn
(ansonsten) so satt gemacht haben, dass er kaum mehr essen brauchte
und diejenigen, die bei ihm waren, wollen allein aus dem Duft auch
diese Eigenschaft des Sattseins zumindest für ein paar Wochen
verspürt haben. Früher stellte man auch in Parks Atmosphären her und man machte das - wahrscheinlich aus Unkenntnis sehr viel aufwendiger als heute. Die alten Gartenbaulehren etwa haben großen Wert auf die Atmosphären gelegt, die in einem Park arrangiert wurden. Parks sind geradezu Stimmungskunstwerke. Man wird dort nämlich ohne dass man es bewusst merkt, von Stimmung zu Stimmung, von Atmosphäre zu Atmosphäre geführt. Von der heiteren Atmosphäre einer Blumenterasse zur melancholischen Atmosphäre eines Brunnens, oder zur herrschaftlichen Atmosphäre einer Allee. Schnell fließendes, seichtes Wasser wirkt erheiternd, kann man da lesen; stehendes dunkles Wasser, wirke geheimnisvoll. Stehendes tiefes Wasser, in das Sonnenstrahlen dringen, wirkt geistig; Wasser im Schatten wirkt ernüchternd und kühl. Die Gartenbaulehren des 18. Jh. etwa Jakob Hirschfelds, würden endlose Kommentare zu solchen Beobachtungen und Möglichkeiten liefern. Nur ein Zitat: »Die sanftmelancholische Gegend bildet sich durch Versperrung aller Aussicht; durch Tiefen und Niederungen; durch dickes Gebüsch und Gehölz, oft schon durch bloße Gruppen von hohen, stark belaubten nahe aneinander gedrängten Bäumen, und deren Wipfeln ein hohles Geräusch schwebt, durch stillstehendes oder dumpfmurmelndes Gewässer, dessen Anblick versteckt ist, durch Laubwerk von einem dunklen und schwärzlichen Grün, durch tief herabhängende Blätter und überall verbreitete Schatten... In einer solchen Gegend fallen sparsame Lichter nur durch, um den Einfluss der Dunkelheit vor dem Traurigen oder Fürchterlichen zu schützen. Die Stille und die Einsamkeit haben hier ihre Heimat. Ein Vogel, der ungesellig umherflattert, eine Holztaube, die in den hohlen Gipfel einer entlaubten Eiche girrt und eine verirrte Nachtigall, die ihre Leiden der Einöde klagt - ist zur Ausstaffierung der Szene schon hinreichend.« Sie Sehen auch schon damals - alles Technik! Wie einfach haben wir es dagegen! Wir greifen zu »parkTV_Duft« und wir hören Vögel vom Band. Wir wissen, es ist auch nur Technik, die und anhand einer Rückerinnerung an einen alten Mythos zur Hand geht. Gärten sind Sehnsuchtsparadiese, die uns aus dem Alltag unserer Zeit locken sollen, aber sie sind mit den Mitteln unserer Zeit ausstaffiert. Hier in »ParkTV« befinden Sie sich in einem solchen. Ich danke ihnen und wünsche Ihnen ERKENNTNISSE UND VERGNÜGEN.
Der Beitrag
von Reinhard Knodt wurde über die Haussprechanlage der gesamten Mall
übertragen. |
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